Donnerstag, 13. Februar 2014

Unterrichtsausfall wegen Lehrermangels


Die Realschule, an der ich am 17.2. als Aushilfe anfangen werde zu unterrichten, teilte mir mit, dass sie sich sehr darüber freue, mich als Geschichtslehrer begrüßen zu dürfen. Aufgrund eines Lehrerausfalls würden seit längerer Zeit die 9. Klassen, die normalerweise zwei Stunden Geschichte pro Woche haben, nur einstündig unterrichtet, da nicht genug Lehrer zur Verfügung stehen. Dennoch schickt der Staat Geschichtslehrer mit teils exzellentem Abschluss auf die Straße und den Schülern wird ein Teil des Geschichtsunterrichts vorenthalten. Dieser ist gerade in der 9. Klasse sehr wichtig: behandelt wird die Zeit von der Industrialisierung bis zum 2. Weltkrieg; eine Zeit, in der zahlreiche Weichen für die heutige Entwicklung Deutschlands gestellt wurden.

Eigenständiger Unterricht durch Praktikanten


Letzter Praktikumstag vor Weihnachten. Grundsätzlich sollen Praktikanten nur einzelne Stunden probeweise halten, die zu Hause gut vorbereitet werden und bei denen IMMER eine fertig ausgebildete Lehrkraft anwesend ist.

Der Unterrichtsausfall durch die Krankheit einiger Lehrer kann aus dem Kollegium nicht aufgefangen werden.Die Praktikanten werden morgens eingeteilt, Unterricht selbstständig ohne Vorbereitung zu halten.

Vier Praktikanten, vier Klassen, eine Lehrerin, die nur durch die Zimmer geht und etwas hilft und für Ruhe sorgt. An "normalen" Unterricht ist angesichts einer solchen Situation nicht zu denken.

Fachfremder Unterricht


An einer Schule muss ein Englisch-/Lateinlehrer Intensivierungsstunden in Deutsch abhalten, weil es nicht genügend Deutschlehrer an der Schule gibt. Die offizielle Darstellung lautet: Sprachenlehrer werden nicht gebraucht und können aus diesem Grunde auch keine staatliche Anstellung erhalten. Dass die Schüler von einem Englisch-/Lateinlehrer, der das Fach Deutsch unterrichtet, deutlich weniger profitieren als von einem ausgebildeter Deutschlehrer, liegt auf der Hand. An fast allen Gymnasien werden die Fächer Ethik und Sozialkunde zum Großteil von fachfremdem Lehrpersonal abgeleistet, die wenige Kurse in Dillingen belegt haben und nun für die Werterziehung und die politische Bildung der Schüler zuständig sind. Dies obwohl hunderte fertig ausgebildete Fachlehrer mit der Facultas in Ethik und Sozialkunde zum Februartermin ausgestellt wurden.

Unterricht in mehreren Klassen gleichzeitig


Bericht 1:


In meiner einzigen Freistunde an einem Siebenstundentag plus Pausenaufsicht (wir haben nur eine Pause) sollte ich eine Vertretungsstunde halten. An sich nicht schlimm. Raum gemerkt, Blätter kopiert. Kurz vor acht fällt mir allerdings nach einem zweiten flüchtigen Blick auf, dass ich eine weitere Klasse mitführen soll. Das heißt so viel wie "Eine Klasse mit Übungen beschäftigen, ruhigstellen, zur anderen Klasse in einem anderen Raum hetzten, für Ruhe sorgen, ebenfalls beschäftigen (mit was auch immer - drei vor acht war nicht genügend Zeit mehr zum Vorbereiten für eine Klasse, die man gar nicht hat), zurückrennen, abklären, ob alle ruhig sind, wieder zur anderen Klasse spurten usw.- 45 Minuten lang - 58 Schüler." Alle saßen und ich habe die Stunde verhältnismäßig ruhig überlebt. Als ich ins Lehrerzimmer zurückkam, sah ich VIER!!! Lehrer, die offensichtlich eine Freistunde hatten. Diese erklärten mir dann, dass sie "nur" Angestellte sind und ihnen seitens des Kultusministeriums keine Vertretungsstunden zugewiesen werden sollen, da ihre Arbeitskraft teurer bezahlt werden müsste als die der verbeamteten Lehrkräfte oder die der Referendare. Zudem handelt es sich um eine Verletzung der Aufsichtspflicht, da Klassen im Unterricht permanent beaufsichtigt werden müssen.


Bericht 2:


Ich unterrichtete eine 7. Klasse in Intensivierung Englisch. In diesen Stunden soll man theoretisch mit halber Klassenstärke (also 13 Schülern) den vorher durchgenommenen Unterrichtsstoff mit den Schülern einüben. Diese Größe macht Sinn, damit der Lehrer individuell auf Stärken und Schwächen der einzelnen Schüler eingehen kann.

In meiner Intensivierung befanden sich stets 22 Schüler, was die individuelle Betreuung so gut wie unmöglich machte. Als nun an einem Freitag die Lehrkraft, die parallel Intensivierungsstunden in Englisch gab, krank war, musste ich beide Gruppen übernehmen. Somit sollte ich mit 45 Schülern in einem Raum, in dem maximal für 40 Platz war, Englisch üben. Eine Verbesserung der Fähigkeiten der Schüler kann unter solchen Umständen nicht erfolgen.

Anfangsunterricht in der Fremdsprache durch Referendare

Kurz vor Unterrichtsbeginn in der Einsatzschule wird einer Referendarin mitgeteilt, dass sie 17 Stunden eigenverantwortlich zu unterrichten hat, und das in sechs Klassen (4 Englisch, 2 Geschichte). Hierzu zählt auch eine 5. Klasse im Fach Englisch, obwohl Anfangsunterricht durch Referendare laut Seminarleitung nicht vorgesehen ist. Diese Vorschrift ist sinnvoll, da Sprachanfänger die didaktischen und pädagogischen Fähigkeiten einer voll ausgebildeten Lehrkraft benötigen.

Überbelastung einer Referendarin

Nachdem sie in den Sommerferien ihre Hausarbeit fertiggestellt und das 1. Staatsexamen in einem Erweiterungsfach abgelegt hat, übernimmt eine Referendarin im dritten Ausbildungsabschnitt (d.h. in dem Zeitraum, in dem sie das Staatsexamen in Psychologie/Pädagogik sowie in zwei Didaktikfächern, Schulkunde und Staatsbürgerkunde ablegen sowie eine 3. Lehrprobe halten muss) vier Klassen im eigenverantwortlichen Unterricht. Das bedeutet, sie hat keinen Betreuungslehrer. Sie unterrichtet also neben den prüfungsrelevanten Fachsitzungen mehrere Geschichtsklassen und eine Englischklasse eigenständig. Offiziell werden die Schulen dazu angehalten, überhaupt keinen eigenverantwortlichen Unterricht im 3. Ausbildungsabschnitt zu vergeben.

Circa eine Woche vor ihrem Staatsexamen in Psychologie/Pädagogik wird der Referendarin ihr Lehrprobentermin mitgeteilt, der aufgrund von Terminschwierigkeiten der Seminarschule 5 Tage nach ihrer oben erwähnten Prüfung eingeplant wurde.

Neben dem Unterricht in vier Klassen, Nachbereitung, Erstellung sowie Korrektur von Leistungs-nachweisen ist das beinahe unmöglich zu bewerkstelligen.

Leider kam es bald nach den 2. Staatsexamensprüfungen zu weiteren Unterrichtsausfällen, weshalb besagte Referendarin nun auch noch in einer Q11 dreistündig im Fach Geschichte eingesetzt wird. Dies wurde in etwa mit ,,Tja, diese Hürde müssen Sie nehmen" kommentiert. Ihre Stundenzahl erhöht sich somit auf 10, die Zahl ihrer eigenverantwortlich unterrichteten Klassen erhöht sich auf 5.

Vertretungen und Abituraufsicht durch Referendare

Wir Referendare mussten Vertretungsstunden und Abituraufsicht in der Seminarschule übernehmen, weil zu wenig „richtige“ Lehrer da waren. Gleichzeitig wurde aber der Einsatzschule übermittelt, die Referendare nicht für Vertretungen einzusetzen, da das laut Ausbildungsordnung nicht zulässig ist. Dennoch: auch hier gab es Vertretungen, weil weder genügend Lehrer noch Aushilfskräfte zur Verfügung standen.

Worum es hier geht

Die hier gesammelten anonymisierten Berichte sollen veranschaulichen, wie sehr den bayerischen Schulen Lehrer fehlen und wie sehr Referendare (also noch nicht fertig ausgebildete Lehrer) über die in der Ausbildungsordnung vorgeschriebenen Ausmaße hinaus eingesetzt werden, um den Lehrermangel zu kompensieren und den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.